unanimous consent

Hunter's Fallacy

Titel
Hunter's Fallacy
Datum
12. Juli 2020 - 16. August 2020
Beschreibung

Elza malt. Oder besser gesagt: Elza verwendet Farbe, um seltsam architektonische Landschaften zu schaffen, welche an Dinge erinnern, die uns vertraut erscheinen und doch in den Untiefen unseres Geistes verborgen schlummern.

Ihre fast ironische Art und Weise, Farbe nonchalant als Material zu verwenden, welches auch als architektonisches Element oder als Träger von Textur fungiert, und sie mit Gegenständen zu kombinieren, die aus alltäglichen Umge-
bungen wie Haushalt oder Büro stammen, lässt bisweilen an kindliche Experimente erinnern. So zugänglich in Medium und Form, bleibt die erste Begegnung damit von Gefühlen der Ehrfurcht oder Unzulänglichkeit verschont. Kein aussergewöhnlicher Referenzrahmen ist erforderlich, um sie zu betreten. Es genügt, Gedanken zu haben.

Schauplätze, die auf soziale und politische Sphären hindeuten, zeitlos in ihrer Erscheinung, mahnen der grösseren Strukturen, auf denen Gesellschaften gründen. Es findet sich Architektur in der Form eines griechischen Amphi-
theaters, eines römischen Gerichtshofs, eines zeitgenössischen Parlaments – oder auch Vorlesungssaals. Anderes ist abstrakter und ruft weitläufigere Muster oder Schemata hervor. Klammern, die ein soziales Umfeld umschliessen und gleichzeitig suggerieren, dass die Dinge genauso gut auch anders sein könnten – eine kleine Verschiebung einer Klammer von hier nach dort und die Konvention wird eine neue sein. Trotz der theoretisch unzähligen Möglichkeiten wohnt den Werken doch – oder gerade deswegen – eine dystopische Atmosphäre inne.

Was von weitem an architektonische Skizzen oder Entwürfe erinnert, lenkt unsere Aufmerksamkeit bei näherer Betrachtung schnell auf Einzelheiten. Ein Brunnen, etwas Glänzendes und Glattes, eine Treppe, die zu einer weiteren Plattform führt, von wo aus es zum freien Assoziieren einlädt – von einem mentalen Raum zum nächsten. Hier markiert X eine Stelle, dort kreuzt es ein Kästchen an aus einer Liste von Gründen, Aufgaben – oder waren es Regale?

Absorbiert von den vertrauten, aber nicht eindeutig bestimmbaren Gegenständen, könnten wir versucht sein, für einen Moment die Struktur, die sie umgibt, zu vergessen. Fasziniert erkunden wir die psychologischen Räume, amüsiert von der Art und Weise, wie die Künstlerin das Material aufträgt – an einigen Stellen sorgfältig und detailliert, nur um uns an anderen Stellen mit rohen Farbwürsten abzuspeisen, bei deren Anblick wir beinahe das Geräusch von aus der Tube gedrückter Farbe hören.

Noch schmunzelnd, schleicht sich langsam ein beklemmendes Gefühl ein. Der freundliche Brunnen... das X, das die Stelle markiert... die hübschen Zimmerpflanzen – so zugänglich und vertraut, lassen sie uns doch nie ganz zur Ruhe kommen. Kaum wollen wir es uns bequem machen, ärgert uns ein salopp dahingerotzter Farbklumpen oder eine Phrase, welche uns auf unsere innersten Zustände zurückwirft.

Kaum glauben wir ein Element identifiziert zu haben, verwandelt es sich bereits ins nächste. Aus einem Farbklumpen wird das glänzendste Stück Malerei, gepinselt aus tausend zärtlichen Strichen, welches sich kurzerhand als hinterhältigste Schlangenhaut entpuppt - schön und faszinierend bösartig. Bevor wir einen Verdacht zulassen, wird die Schlange wieder zum blossen Muster von Rhomben, flach, fast spöttisch – „Ich bin doch nur eine einfache geometrische Form auf Aluminiumleinwand, was hast du denn gedacht, du kleine Nuss?

Sich wiederholende Elemente, in psychedelischen Räumen angeordnet – hier gibt es keinen festen Grund. Auf der Suche nach Halt, schauen wir uns verunsichert nach Mustern um, unser Blick zum wachsam jagenden geworden – von einem Element zum nächsten, auf den Spuren der Künstlerin.

Waren all diese zugänglichen Elemente nur Fallen, um unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen? Was ist das für ein Spiel? Welcher Verstand würde solche Fallen erfinden? Wer spürt hier wem nach? Was zur Hölle soll das Ganze?

Und das ist der Moment, in dem uns klar wird, dass wir uns nicht in einem Safe Space befinden, um ihre Sicht der Welt zu erforschen. Wir werden beobachtet – unsere Gedanken und Wünsche vorwegnehmend, lenkt sie uns in die verführerischsten Fallen, ausgelöst durch unseren eigenen Verstand auf der Grundlage blosser Gemälde. Sie erhascht unsere Aufmerksamkeit, neckt uns und denunziert spielend unsere Sehnsucht nach dem Schönen, Glänzenden, Symmetrischen, Bequemen.

Nackt und fasziniert, machen wir uns nicht einmal die Mühe, nach unserer Kleidung umzusehen. Zu neugierig auf den Geist, der uns an der Nase herumführt, suchen wir wie besessen nach Hinweisen. Und das ist der Moment, in dem die eigentliche Falle zuschnappt: Die möglicherweise unmögliche, aber süchtig machende Aufgabe, das Spiel und den Verstand der Elza S. zu ergründen. Gibt es irgendeinen Weg hier raus?

– Ilona Stutz

Partizipierende
  • Kurator:in:
  • unanimous consent
  • Künstler:in:
  • Elza Sile ⩙ {F_x Office}
Adresse
Dörflistrasse 50, 8050 Zürich, Schweiz
Attachment